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Endloses Scrollen

    Social-Media-Feed in Pixelart: Bilder von niedlichen Tierchen, Umweltkatastrophen, Trump und Kuchen, ein wilder Mix.

    Bodenlos, weit über Mitternacht hinaus

    mein Finger wird schon taub

    die Augen brennen und trotzdem kann ich sie nicht abwenden 

    von dem algorithmischen Schreckens-Lust-Belanglosigkeits-Gemisch aus Nachrichten, niedlichen Tierchen, Politik, Gesundheitstipps, Kunst, Memes, Ungerechtigkeiten, Urlaubs- und Familienfotos von Freundinnen und Freunden, Modetrends, Klimakatastrophe, DIY-Anleitungen, Foodporn, Berichte von Naziterror, Funfacts, dazwischen Werbung für Jobportale, Haarentfernung, Gemüsekisten, Kruppstiftung und Möbelgeschäfte. Ich versuche den verstörenden Bildern und Berichten von Krieg und Hunger auszuweichen, 

    und kriege es doch immer wieder ungefiltert in die Timeline gespült, weil alte Bekannte es teilen. 

    Ich bin süchtig nach dem Gift dieser Plattform, das Unerwartete, der kleine Dopaminkick bei neuen Bildern und scrolle von einem Kick zum nächsten. Es dauert, es ist viel Mist dabei, doch immer wenn ich kurz davor bin, es aus der Hand zu legen werde ich wieder eingelullt, der Feed ist ein Strom dem ich nicht entkomme. Es ist die Suche nach einem Schatz zwischen allem Schund.

    Ich bin so addicted. Hör mir bloß auf, es ist schlimm wenn ich selbst etwas poste. Alle zehn Minuten checken, ob schon wer das geliked hat. Zwei Stunden lang. Dann den ganzen Tag. 

    Alle paar Monate wenn es wieder zu exzessiv wird und ich fünf Stunden täglich im Strom verschwinde, überwinde ich mich und lösche die App, mein Tor in die Versenkung, in der Hoffnung so dem Sog zu entkommen

    Doch die Hintertür über den Browser ist immer geöffnet und so lande ich trotzdem wieder da, viel öfter als gewollt. 

    Aus dem kleinen Schleichweg zur Hintertür wird ein breiter Trampelpfad den ich zwanghaft laufe

    Mit einer Ersatzbefriedigung, dem massiven Nachrichtenkonsum in Nachrichtenapps, kann ich der anderen Plattform entkommen, doch dann kommt einfach nur Doomscrolling und auch da bleibe ich stundenlang wach und lass mich durchspülen mit all der Schrecklichkeit und Wut und Verzweiflung die die Welt zu bieten hat. Erwartbar, wie es mir danach geht

    Wenn ich es schaffe, höre ich stattdessen Radio. Die Welt ist genauso schlimm wie zuvor, aber ich kann nicht Doomscrollen. Ich muss keine schrecklichen Bilder sehen. Es gibt Pausen, es ist dosiert, es sind auch nie 100% nur Schreckensnachrichten, es gibt auch Platz für Schönes, Versöhnliches, Differenziertes. 

    Und trotzdem kehre ich immer wieder zum Bildschirm zurück und scrolle, scrolle, scrolle.


    Diese Arbeit ist zu sehen in der Publikation „Komm, wir hauen ab!“ und als Rauminstallation in der Ausstellung Pa(a)rade 2.0 (4.4.-19.4.2025 im Kunstbunker Bochum):

    Ausstellungsansicht imKunstbunker: Lange Tapete mit endlosem Feed in Pixelart.